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Calancasca Logbuch

von Liliane Waldner

Einführung in die Calancasca

Die Calancasca ist ein 31 Kilometer langer Fluss, der das bündnerische Calancatal prägt. Sie entspringt auf 3‘100 m.ü.M. südlich des Zapporthorns und sie mündet auf 300 m.ü.M. bei Grono in die Moësa.

Mehr über die Calancasca auf:
https://de.wikipedia.org/wiki/Calancasca



14. Dezember 2018: Calancasca-Mündung unterhalb Grono

Heute schnuppere ich nur etwas an der Calancasca, entfliehe dem Nebelgrau des Nordens und geniesse kurze Zeit den blauen Himmel des Südens. Ich gehe von der Postautohaltestelle Bivio Calanca in die Nähe der Calancasca-Mündung in die Moësa. Dort steige ich das steile Bord hinab und fotografiere das ausgetrocknete Flussbett, aus dem viele Felsbrocken ragen in Blickrichtung Mündung. Unterwegs entdecke ich noch überreste des historischen Eisenbahntrasses der ehemaligen Misoxer Bahn. Vom Mündungsgebiet gehe ich noch der Moësa entlang flussaufwärts und überquere die Brücke, wo ich am anderen Ufer zur Stelle und zum Uferweg gelange, den ich beim Moësa-Projekt aufwärts gegangen bin. Jetzt ist die Calancasca sauber mit meinem Fluss-Fussweg-Netzwerk verbunden. Dann gehe ich hinauf ins Dorfzentrum von Grono und zur Bushaltestelle Grono Paese. Der obere Teil des Dorfes und der untere Einschnitt des Calancatales liegen bereits einige Zeit in der Sonne. Vielleicht kann ich in diesem Winter dort ein Stück weit hinauf, wenn es trocken und eisfrei ist.
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Neujahrstag 2019: Grono - Buseno, Bottegh 

Von der Station Grono Paese steige ich das Strässchen entlang zum Weiler Nadro hinauf und noch höher. Oberhalb von Nadro kommen mir drei Rehe entgegen. Sie zeigen mir rasch ihren Hintern und verschwinden. Keine Chance, sie zu fotografieren! Das Strässchen wird ob Nadro ein Natursträsschen. Ich steige nicht nach Castaneda hinauf, sondern nehme den Weg via Pisella Richtung Calancatal. Bei Pisella befinden sich eine aufgegebene Mühle sowie ein Hang mit Trockenmauern. Die Kastanienwälder und das milde Wetter wecken in mir eher herbstliche als winterliche Gefühle.

Der Weg mündet in die mässig befahrene Strasse in das Calancatal. Ich gehe auf ihr bis zur Haltestelle Buseno Bottegh und passiere dabei den kleinen Stausee von Buseno. Die Haltestelle liegt direkt vor einem Bauernhaus. Ich denke, Bottegh könnte von Bodega abgeleitet sein und frage die Besitzerin vor dem Haus, ob das ein Restaurant sei. Sie verneint, aber da es noch eine halbe Stunde bis zum Postauto geht, lädt sie mich in das Bauernhaus zu einem Tee ein. Ich erfahre, dass das Haus ursprünglich der Holzwirtschaft diente. Ihr Vater betrieb eine Sägerei. Sie selber wurde zuerst Floristin und führte einen Blumenladen. Dann bildete sie sich im Bereich Viehhaltung und Weidewirtschaft aus. Jetzt betreibt sie eine Farm mit über 100 Schafen, über 200 Hühnern, einigen Schweinen und Pferden und natürlich ihren beiden Hunden. Von ihr erfahre ich, dass ihre Pferde gerne Maroni fressen würden. Das merke ich mir im Hinblick auf Gledi u. Co. Die Farmerin heisst Viviane. Wir stellen fest, dass sich unsere Namen reimen: Viviane - Liliane. Rasch heisst es, sich von dieser lieben Gastgeberin zu verabschieden, denn das Postauto naht.
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4. Januar 2019: Buseno, Bottegh - Selma

Vor dem Abmarsch klopfe ich noch bei Viviane, aber sie ist nicht da. Ihre zwei Pferde kommen neugierig an den Zaun, als ich losziehe.

Noch immer verspüre ich die leichte Oberschenkelzerrung, die ich im Training vor den Weihnachten zu Hause erlitten habe. Ich gehe deshalb weiterhin die mässig befahrene Strasse entlang. Der Bergweg verläuft prinzipiell in derselben Geländekammer. Trotz mildem Wetter kann in diesem Hochtal nicht ausgeschlossen werden, dass vom Reif befeuchtete Stellen auf dem Bergweg gefroren sein können. Diesbezüglich bin ich auf der trockenen Strasse auf der sicheren Seite. Eiszapfen bilden an einer Felswand beim Steinbruch unterhalb von Arvigo kunstvolle Strukturen. Dies bestätigt meine Vermutung, dass bestimmte Lagen in diesem Hochtal gefroren sind.

Von Arvigo führt eine Luftseilbahn nach Braggio hinauf. Ich raste auf einem besonnten Mäuerchen bei den Steinhütten von Laura. Danach erreiche ich bald das Tagesziel Selma. Die dortige Luftseilbahn führt nach Landarenca hinauf. Beide Bahnen fahren offenbar nach Bedarf von vorhandenen Passagieren. Bei der Bahnstation von Selma liegt eine kleine Kapelle. Sie ist verschlossen. Leider erfahre ich erst bei der Nachbearbeitung der Etappe, dass der Schlüssel zum Bethaus aus dem Jahr 1716 im Haus gegenüber erhältlich wäre. Siehe Link unten. Flussaufwärts ist weit hinten der I Rodond sichtbar. Ich nehme im Restaurant neben Seilbahn- und Postautostation einen Kaffee. Er kostet nur CHF 2.50. Das Tagesmenü ist für CHF 16.00 angeschrieben. Ich bin der einzige Gast. Ich frage mich, wovon die Leute leben. Wenigstens kommen nach mir noch einige junge Leute in das Lokal.
Etwas zur Hilfsbereitschaft der Menschen! Ein Mann wendet seinen Wagen und fährt zu mir zurück, um zu fragen, ob ich mitkommen wolle. Weiter oben hält ein Wagen mit drei Männern des technischen Dienstes des Kantons Graubünden und sie fragen mich, ob sie mich mitnehmen sollen. Als ich die drei Männer bei Selma zurückfahren sehe, winke ich ihnen zu und sie hupen zurück. Einmal mehr stimmt das Motto des Liverpool FC: „You never walk alone!“ Die heutige, kurze Strecke war übrigens etwa sechs Kilometer lang.

Link:

http://www.vallediblenio.ch/riegg/riegg_ca_d.html
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26. Januar 2019: Grono - Santa Maria in Calanca

Heute mache ich quasi wieder einen Schritt zurück, nutze das milde Nordföhnwetter, um von Grono aus in das hoch über dem Taleinschnitt thronende Santa Maria in Calanca aufzusteigen. Von der Postautohaltestelle Grono Paese gehe ich auf dem Strässchen bzw. Radweg in zahlreichen Kehren, teils asphaltiert, teils Kiesweg nach Castaneda hinauf und folge von dort dem Strässchen nach Santa Maria. Eingangs Ortschaft nehme ich den steilen Weg zwischen den alten Steinhäusern bis zum mittelalterlichen Turm und der Wallfahrtskirche Santa Maria Assunta.

Die rund 600 Höhenmeter lohnen sich wegen der markanten, kulturellen Sehenswürdigkeiten. Sie sollten in gut drei Stunden zu schaffen sein. Vom Plateau der Kirche  eröffnet sich ein grandioser Tiefblick in das Misox und den Taleinschnitt ins Calancatal.

Links:


https://www.graubuenden.ch/de/regionen-entdecken/san-bernardino-mesolcina-calanca/chiesa-parrocchiale-di-santa-maria-assunta
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Augio im Hagelsturm am 26. Juli 2019
26. Juli 2019: Selma - Rossa

Die heutige Wanderung dauert laut Wanderwegschild zwei Stunden. Der gut angelegte Wanderweg führt fast immer entlang dem Fluss, nur am Schluss von Augio nach Rossa auf der Strasse. Weil ich wegen der Verspätung des IC und der Verlegung der Postautohaltestelle in Bellinzona den Bus Richtung Mesocco verpasse, komme ich anderthalb Stunden später als geplant nach Selma. Ich ahne bereits voraus, was kommen wird.

Bis Cauco ist das Wetter noch stabil, aber danach donnert es in der Höhe. Leichter Regen wechselt mit kurzem Sonnenschein. Die häufig verteilten Sitzbänke sind nass. Beim Sportplatz von Augio raste ich in einem gedeckten, trockenen Unterstand. Es ist danach nicht mehr weit nach Rossa. Ich ziehe die Regenjacke an, weil es mehr regnet und hinten im Tal mit dem I Redond als Abschluss immer düsterer aussieht. In Augio sagt mir eine innere Stimme, ich solle mich vorerst unter den ausladenden Unterstand eines Hauses stellen. Der Platz ist dort noch trocken und leicht erhöht zum Trottoir. Kaum danach bricht ein Hagelsturm los, den ich noch nie erlebt habe. Bis Walnuss-grosse Hagelkörner prasseln hinunter. Die Fahrbahn der Dorfstrasse wird weiss bedeckt und verwandelt sich in einen Bach. Ich muss eine halbe Stunde lang warten, bis das Gröbste vorüber ist. Dann erblicke ich, wie der Wasserfall gegenüber mächtig angeschwollen ist und breit schäumend und tosend in die Tiefe stürzt. Das Tagesziel Rossa ist rasch erreicht, ich fotografiere die moderne Kirche und kehre im Restaurant Valbella ein.

Links:

https://www.rossa.ch
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8. August 2019: Dorfrundgang in Rossa

Nach der Ankunft am späteren Nachmittag unternehme ich einen kleinen Dorfrundgang, um Impressionen des malerischen Dörfchens in meine Kamera einzufangen. Es ist der oberste Ort des Calancatales mit Anschluss an den öffentlichen Verkehr. Ich bin im Hotel Valbella untergebracht. Hotel wie das Hotelierpaar scheinen mir aus der Zeit gefallen. Das Hotelierpaar ist herzlich und um mein Wohl bemüht. Das Restaurant ist bis in den frühen Abend eine Art Dorftreffpunkt. Ich bin der einzige Gast, der in dieser Nacht übernachtet.
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9. August 2019: Rossa - Pian d’As

Bereits das Kartenstudium zeigt mir, dass es nicht möglich ist, in die Nähe der Quelle der Calancasca zu gelangen. Das Gebiet oberhalb der Alp de Alögna ist mit Ausnahme des Passweges über Pass di Passit faktisch unbegehbar, weder Zapporthorn als Quellberg noch seine Flanken mit den Quellbächen sind von dort sichtbar. Das bestätigen mir der frühere Bürgermeister von Calanca Rodolfo Keller, Einheimische sowie ein Genfer Paar, das von der Alp de Alögna zurückkommt. Das Genfer Paar beschreibt mir den Bergweg zwischen Pian d’As und der Alp de Alögna als steil, nass und glitschig, d.h. als nicht empfehlenswert.

Wie das Problem lösen? Einheimische zeigen mir, dass die Spitze des Zapporthorns mit der vergletscherten Flanke von der letzten Siedlung Valbella aus sichtbar ist. Ich fotografiere dieses Stück des Calancasca-Quellgebiets vom Parkplatz oberhalb der obersten bewohnten Siedlung aus. Die Wanderung auf dem Naturweg zwischen Valbella und der reizvollen Pian d’As durch den kühlen Wald ist lohnenswert.

In Valbella erkennen mich Leute aus Agio, die mich dort nach dem Hagelsturm vom 26. Juli 2019 gesehen haben. Der Mann erinnert sich sogar, dass ich in Zürich in der Politik war. Am Abend trifft ein Paar im Hotel ein, bei dem die Frau auch Multiple Sklerose hat. Wir unterhalten uns lebhaft nach dem Nachtessen. Die Frau ist 49, hat zwei Kinder im Alter von 17 und 19. Sie musste als junge Mutter mit der Krankheit fertig werden und ich verstehe, dass sie sich mit der elterlichen Verantwortung der medikamentösen Behandlung unterzogen hat. Das Paar bricht am Samstagmorgen auf, um die Hüttenwartin der Buffalora-Hütte zu besuchen, die wie die Frau ebenfalls Lehrerin ist. Leider beginnt es an diesem Morgen bald zu strömen. Das Calancatal ist ein regenreiches Gebiet.

Meine sportlich bescheidene Erkundigung des Calancatales und der Calancasca ist trotz allem lohnenswert gewesen. Für gesunde und  sportliche Menschen bietet der Sentiero Calanca natürlich weit mehr. Siehe die Links unten. Meine Route ist auch von leicht behinderten und chronisch kranken Menschen machbar, die das wild-romantische Tal zu Fuss durchschreiten wollen.

Links:

https://www.nzz.ch/tal_mit_hoehenweg_der_superlative-1.10190408

https://sentiero-calanca.ch
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