Rot Logbuch
Von Liliane Waldner
Einführung in die Rot
Die Rot ist 17 Kilometer lang. Ihre Quelle liegt auf 710 m.ü.M. östlich von Gondiswil. Sie mündet auf 420 m.ü.M. bei Walliswil in die Langete. Rot sowie Langete werden ab ihrem Zusammenfluss Murg genannt, die oberhalb von Murgenthal in die Aare mündet. Siehe auch das Langete-Logbuch: http://www.fluss-frau.ch/langete.html
Unterhalb des Langete/Rot-Zusammenfluss wurde 1640 der Rotkanal abgezweigt, der durch Murgenthal fliesst und bei Rothrist in die Aare mündet. Seine Länge misst 8,5 Kilometer.
Mehr über die Rot und den Rotkanal auf:
https://de.wikipedia.org/wiki/Rot_(Murg)
Aufnahme während des Langete Projekts 2019
23. Oktober 2021: Rothrist - St. Urban
Wir beginnen mit dem Rotkanal in Rothrist. Vom Bahnhof aus geht es zuerst zur Mündung des Rotkanals in die Aare. Danach folgen wir dem Rotkanal Richtung Murgenthal und kommen bei den Fuhrpärken der Firmen Giezendanner und Schöni vorbei sowie bei der populären Rivella. Der Rotkanal wurde für die aufkommende Industrie in Murgenthal und Rothrist erstellt.
Bei Hungerzelg queren wir die Bahnlinie und folgen dem Radweg entlang der Landstrasse. Ab Moosmatt können wir auf einem Naturweg entlang dem Rotkanal wandern. Unterhalb vom Weiler Walliswil wird der Rotkanal von der Murg abgezweigt. Wir folgen ab der Schleuse der Rot flussaufwärts, queren den Weiler Walliswil und erreichen schliesslich das Tagesziel St. Urban. Die Klosterkirche ist ein herausragender, sakraler Barockbau. Heute ist im ehemaligen Kloster eine psychiatrische Klinik untergebracht. In St. Urban treffen die drei Kantone Aargau, Bern und Luzern aufeinander.
Die heutige Gehdistanz beträgt 12,6 Kilometer und die Gehzeit laut Schweiz Mobil drei Stunden 15 Minuten.
Links:
http://www.st-urban.ch/
15. Oktober 2022: Eröffnung des IZTB in St. Urban
Fast ein Jahr lang hat mich mein Oberarmbruch zu Hause, Corona und die Hammerzeh-Operation in meinem Flussprogramm gestoppt. Jetzt ist die Zeit für die Wiederaufnahme des Flussprojekts reif - und wie!
Heute wird das Internationale Zentrum der Traditionellen Bewässerung als Kulturerbe Europas (IZTB) im Festsaal des ehemaligen Klosters St. Urban feierlich eröffnet. Die neu eingerichtete Geschäftsstelle samt einer kleinen Ausstellung befindet sich im Erdgeschoss des Konvents Süd des Klosters.
In St. Urban wird das Wissen über die traditionelle Bewässerung in Europa dokumentiert, gepflegt und an die kommenden Generationen weitergegeben. Es dient als Dokumentationszentrum, Informationszentrum, Dauerausstellung. Es finden Veranstaltungen, Wissensaustausch, Erfahrungsaustausch und Schulung statt.
Traditionelle Bewässerungsformen wurden durch die Intensivierung der Landwirtschaft bis auf einige Reste verdrängt. Allmählich werden sie aufgrund der Probleme des Klimawandels, dem vermehrten Wechsel von Dürreperioden und Hochwasser, der Verarmung der Artenvielfalt wieder entdeckt. Auch wenn die intensive Landwirtschaft wegen des Bevölkerungswachstums in etwas grünerer Form weiter geht, kann die traditionelle Bewässerung einen wertvollen Zusatznutzen erbringen. Sie mildert mit ihrem feinmaschigen System von Bewässerungskanälen Hochwasser, sie beugt dank ständiger Befeuchtung der Böden der Austrocknung vor, sie hält den Grundwasserspiegel hoch, sie bindet sowohl wertvolle Nährstoffe in den Böden als auch CO2 und Methan, sie bewahrt die Biodiversität und sie dient als hochwertige Erholungslandschaft für die Stadtmenschen.
Das IZTB wird von einer politisch, wissenschaftlich und gesellschaftlich breit abgestützten Stiftung getragen. Im Kern stehen Persönlichkeiten, Universitäten und Institutionen aus den Niederlanden, Belgien, Luxemburg, Italien, Deutschland, der Schweiz und Oesterreich. Die Stiftung ist in ganz Europa vernetzt. Die österreichische UNESCO-Kommission mit Cristina Biasetto ist federführend bei der Kandidatur für die Aufnahme der traditionellen Bewässerung als immaterielles Weltkulturerbe bei der UNESCO.
Treibende Kraft hinter der Stiftung und dem Zentrum ist Professor Dr. Christian Leibundgut, der von einem internationalen Netzwerk unterstützt wird. So trat an der Eröffnung der Tiroler Landwirt Stefan Notdurfter aus Stanz auf und übergab eine vierhundertjährige Hacke zum Graben von Bewässerungskanälen als Gastgeschenk. Raimund Rodewald von der Stiftung Landschaftsschutz Schweiz hielt die Begrüssungsansprache.
Das Kloster St. Urban ist der historisch ideale Ort für das IZTB, entwickelten und vermittelten doch die Zisterziensermönche bereits vor tausend Jahren die Techniken der traditionellen Bewässerung an die bäuerliche Bevölkerung im Dreiländereck Oberaargau, Luzern, Aargau. Vor allem die Flüsse Langete, Rot, Wigger, Oenz lieferten bzw. liefern das Wasser für die dort verbreiteten Wässermatten.
Dass die Tradition weiterlebt, habe ich im Geschäftsstellen-Sekretariat von Susanna Reinhard erfahren. Ein junger Landwirt erkundigte sich, wie er aus ökologischen Gründen auf seinem Hof die traditionelle Bewässerung anwenden kann. So lebt mehr als tausendjähriges Wissen in der Praxis weiter.
Passend umrahmt wurde die Gründungsfeier durch den Rottaler Erntemarkt auf dem Klosterplatz, der gleichentags stattfand.
Links:
https://www.bewaesserung.unibe.ch/
https://www.bewaesserung.unibe.ch/unibe/portal/fak_naturwis/micro_intwater/content/e1067644/e1109537/e1192871/e1192886/GeschaeftsberichtIZTB2020-21__ST.PDF
https://www.bewaesserung.unibe.ch/unibe/portal/fak_naturwis/micro_intwater/content/e1067642/e1129220/WorkingPaper_TB_final.pdf
20. Oktober 2022: St. Urban - Grossdietwil
Ich folge hauptsächlich dem Wanderweg nach Altbüron, dessen Wegzeit mit 2 Stunden 10 Minuten angegeben ist. Ich gelange an zwei stattlichen Bauernhöfen vorbei, dem Sonnhaldenhof mit seinem Bio-Hofladen sowie dem verwaist erscheinenden Oberen Berghof. Dort raste ich kurz. Danach führt ein kurzes Wegstück durch einen historischen Hohlweg. Ich weiche unterhalb des Steihubel vom offiziellen Wanderweg ab und steige an zwei Höfen vorbei zur Landstrasse bei Grünbach ab. So gelange ich eher in das Gebiet der Wässermatten.
Beim oberen der beiden Höfe treffe ich auf einen alten Landwirt, der durch das heftige Bellen seines Hundes auf mich aufmerksam wird. Er erzählt mir, dass der Biber entlang der Rot siedelt. Er baue jedoch immer auch Dämme entlang der Bewässerungskanäle. Der alte Landwirt ist zuständig, diese zu beseitigen, damit die Bewässerungskanäle nicht verstopft werden. Der Biber dürfe aber an der Rot wirken. Wässermatten werden gemeinschaftlich betrieben und unterhalten. Es gibt auch eine geregelte Zuteilungsordnung für das Wasser auf die einzelnen Matten bzw. für deren Landwirte. Der Landwirt erzählt weiter, dass der Obere Berghof heutzutage nicht mehr betrieben würde. Früher trieb er seine Kühe durch den Hohlweg zum Oberen Berghof, damit sie vom Stier gedeckt werden konnten.
Ich wandere flussaufwärts und stelle die Bilder dementsprechend dar. Dieses Mal lade ich die Bilder flussabwärts auf den Rotator, um das Prinzip der Wässermatten besser darzustellen.
Bei Flue (dort ist auch ein Rastplatz) wird Wasser von der Rot in einen Bewässerungskanal abgeleitet. Dort ist auch ein Wasserstandsanzeiger angebracht. Es gibt entlang des Bewässerungskanals kleine Wehre. Bei einem Schieber wird vom Bewässerungskanal Wasser in einen Seitenkanal für die feinere Verteilung abgezweigt. Kühe weiden auf den Wässermatten. Wässermatten ermöglichen eine nachhaltige, extensiven Gras- und Viehwirtschaft, wie sie seit tausend Jahren in der Region betrieben wird.
Ich durchquere Altbüron und wandere auf dem kombinierten Rad- und Wanderweg bis Grossdietwil, Post. Meine gelaufene Wegstrecke beträgt 9,7 Kilometer.
26. Oktober 2022: Grossdietwil - Hüswil
Die Quelle der Rot liegt auf dem Gebiet der Gemeinde Gondiswil. Sie entspringt im Baschiwald und nach wenigen Metern auf bernischem Boden gelangt sie auf luzernisches Gebiet und danach bildet sie auf weite Strecken auch die Kantonsgrenze.
Ich nehme die ruhige Landstrasse von Grossdietwil nach Gondiswil, die durch das herbstlich gefärbte Rottal führt. Ausgangs des Dorfes fotografiere ich das Gebäude der Firma Andermatt Biocontrol. Diese züchtet natürliche Schädlingsbekämpfer und Düngemittel für den Bio-Landbau. Sie betreibt auch Forschung. Der Komplex sieht wie ein modernes Industrie- und Laborgebäude aus. Die Firma bietet in diesem ländlichen Umfeld Arbeitsplätze für hochqualifizierte Fachkräfte an.
In Gondiswil pausiere ich beim Gemeindehaus. Dort kann ich auch auf die Toilette gehen. Ich erfahre, dass es dort eine Spielgruppe gibt. Die Kinder, welche auf den weit verstreuten Höfen leben, sollen so die Chance zu sozialen Kontakten und Gemeinschaft mit anderen erfahren. Die Spielgruppenleiterin sagt, Spielgruppen seien im Kanton Bern vorgeschrieben, aber nicht im Kanton Luzern. So kommen auch Kinder von ennet der Kantonsgrenze in die Spielgruppe.
Auf dem Weg ins Quellgebiet komme ich an einzelnen, abgelegenen Höfen vorbei. Die Menschen sind dort ganz auf das Auto angewiesen. In Gondiswil gibt es einen Rufbus, der mindestens 30 Minuten vor der Abfahrt reserviert werden muss.
Zwischen den Höfen Flühmatt und Löchli überquere ich die Rot. Ich fotografiere ihren oberen Lauf sowie den Baschiwald weiter oben, aus dem sie herausfliesst. Danach steige ich auf die Schönentüelweid auf und bin überrascht, auf einem weiten, aussichtsreichen Hochplateau zu stehen. Von Schönenthül aus habe ich nicht mehr eine so gute Sicht auf die Herkunft der Rot. Ich steige nach einer Rast in diesem Weiler nach Hüswil ab.
Eine Automobilistin, welche in Hüswil Kinder vom Religionsunterricht mitnimmt, bietet mir an, mich ins Dorf hinunterzunehmen. Ich lehne das Angebot ab, weil ich den Rest bis zum Bahnhof noch schaffe und damit auch die Verbindung der Täler der Rot und der Luthern miteinander zu Fuss. Meine Wegstrecke heute beträgt 9,4 Kilometer.
Links:
https://www.biocontrol.ch/
Quelle: Bundesamt für Landestopografie swisstopo